„Charakter Traits“ von LOGAN RICHARD ist wortwörtlich eine 'Insel-Platte'!
Aber nicht so eine, die man für die Insel auswählt, sondern eine, die deutlich geprägt von den Eindrücken des kanadischen Musikers ist, dessen Lebensmittelpunkt sich auf einer ruhigen, natürlichen und wohl faszinierenden sowie extrem entspannenden Insel inmitten des Atlantiks abspielt. Prince Edwards Island heißt sie und ist Strand wie Natur pur. Genau von der Art, nach der sich die wahren Romantiker schon seit Jahrhunderten sehnen. Und unter diesem Einfluss steht auch die sehnsuchtsvolle, entspannte und harmonische Musik auf „Charakter Traits“.
Träumen unterm Sternenhimmel, während die Wellen ruhig an den Strand rollen...

Liest man sich schon die Song-Titel genauer durch, verspürt man dieses Gefühl, egal ob es nun so eine feine Folk-Nummer wie „The Grass Is Blue (Everywhere I Go)“ oder der finale Album-Track „Someday“ ist.
Harmony und Schönheit ebnet den musikalischen Weg.
LOGAN RICHARD und seine warme Stimme sind dabei unsere ständigen Begleiter. Ideal passend zu den romantischen, poetischen Texten, die endlich mal nicht nur von den alltäglichen Missständen des aktuellen Zeitgeists berichten, sondern tatsächlich die angenehmeren, schöneren Seiten beleuchten.
Da darf das Gras dann schonmal blau sein, man sein Geld sinnlos verschleudern und die tollsten Entdeckungen gemacht werden, wenn man durch die Löcher eines klapprigen Zaunes lugt.

Aber keine Angst – ernsthafte Langeweile kommt bei diesem Insel-Tripp nicht auf, denn das Meer kann auch gehörig aufbrausen, wenn „Feel The World Spinning“ deutlich an Fahrt aufnimmt, mitunter bei dem einen oder anderen Gitarren-Riff ein wahres Rock-Feeling aufkommt („Feels This Way“), das allerdings nicht übertrieben ausgewalzt wird. Denn zu viel Härte würde die so feine Harmonie hinter „Character Traits“ unweigerlich sprengen. Und das liegt garantiert nicht in der Absicht des Machers. LOGAN RICHARD setzt voll auf den Flow aus sofort eingängigen Melodien, folkiger Entspannung und einer Stimme, die ähnlich haften bleibt wie die eines MARC COHEN, auch wenn Richard deutlich mehr auf die höheren Stimmlagen setzt.

Dummerweise setzt Richard aber auch auf den Grundsatz: 'In der Kürze liegt die Würze', und macht schon nach gut einer halben Stunde Schluss.
Trotzdem wird man sich nach so viel Schönklang vielleicht die Frage stellen, wie jemand so gefühlvoll in seiner Musik eine Stimmung entwickeln kann, welche den Zuhörer sofort umschmeichelt und zärtlich gefangen nimmt.
Natürlich liegt das einerseits an besagter Insel, andererseits aber auch ganz speziell an seiner familiären wie musikalischen Sozialisation, die schon mit 12 Jahren klare Bahnen annahm, wie man unter Richards bandcamp-Seite erfährt:

„Der in PEI (Prince Edward Island) geborene und dort lebende Künstler hat beide Fähigkeiten verfeinert, seit er als Teenager zum ersten Mal die Gitarre in die Hand nahm, und sich einen Ruf als geschickter, genreübergreifender Songschreiber und unvergleichlicher Helfer für einige der aufregendsten Musiker Kanadas erworben. Beeinflusst von seinem Axt schwingenden Bruder, Künstlern wie Stevie Ray Vaughan und John Mayer, der Plattensammlung seines Vaters und der Geige spielenden Familie seiner akadischen Mutter, betrat Richard bereits im Alter von 12 Jahren die Bühne und spielte mit einer Bluesgruppe, die sich aus Gleichaltrigen zusammensetzte, erste Auftritte auf der Insel.“

Wenn er auf „Rolodex“ dann auch noch von dem kleinen Vogel mit gebrochenem Flügel, der traurig seine gefiederten Freunde beim Fliegen beobachtet, besingt, dann stehen dem Einen oder der Anderen vielleicht sogar Tränen in den Augen.
Doch keine Angst, auch dieser Song findet sein Happy End.

In „Junk Drawer“ schlägt sogar die große Stunde strammer Klavier-Akkorde in Kombination mit einer deutlich an die DIRE STRAITS erinnernden Gitarre. Vielleicht gerade wegen dieser vorsichtig angedeuteten Parallele das Album-Highlight hinter „Character Traits“.

Und so steuert das Album schon mit „Someday“ auf sein klangvolles Ende zu und lässt uns zum Inselflug abheben, welcher mit der – wie man es im Grunde nicht anders erwarten konnte – letzten beruhigenden wie schönen Botschaft aufwartet: „Someday I'll find what I'm looking for“...

FAZIT: Wer nun – nach so viel Harmonie und Inselatmosphäre – glaubt, das richtige Album für die stillen Abendstunden gefunden zu haben, der darf gerne sein Herz und seine Ohren den „Character Traits“ von LOGAN RICHARD öffnen, denn schließlich besingt er seinen großen Wunsch bereits auf dem Album-Opener „Up From Here“, einem warm-verträumten Folk-Rock-Song, mehr als deutlich: „And I'll hold your hand through all the darkness / Until your sun comes out again“. Bei LOGAN RICHARD geht die Sonne auf statt der Welt unter. Und das ist gut so...